|
|||
[…] Im WDR Köln schneiden derzeit zwei Historiker, der Deutschlandfunk-Redakteur Heribert Schwan, 34, und der hannoversche Privatdozent Rolf Steininger, 35, über 50 Kilometer Kodachrome-Streifen sensationelles Anschauungsmaterial über das Ende und die Folgen des Zweiten Weltkriegs, das „ordentlich unter die Haut geht“ und „uns tief berührt hat“ (Schwan). Realistischer und gelegentlich auf eine brutale Weise malerischer als die allmählich abgenutzten Schwarzweiß-Belege bezeugen die bislang unveröffentlichten Buntfilme aus den Archiven der US-Luftwaffe das katastrophale Ende Hitler-Deutschlands. […] Zu sehen sind etwa: der Kriegschauplatz in den Ardennen, die Bombardierung von Köln, Frankfurt, München und der Großstädte im Ruhrgebiet; die historische Begegnung von Amerikanern und Russen an der Elbe; die Festnahme von Oberst Rudel; das freilich stumm gefilmte Gespräch zwischen Göring (im vollen Wichs mit Schäferhund) und seinem US-Bewacher bei einem Gartenspaziergang. Der Alltag in jenen Gefangenenlagern, wo Tausende deutscher Soldaten unter freiem Himmel zusammengepfercht waren, wird fast mit der privaten Hingabe von Amateurfilmern protokolliert. Die pompöse Auffahrt zur Potsdamer Konferenz demonstriert die Showlust der Siegermächte. Die Köpfe toter Infanteristen, denen das Blut aus Nase und Ohren sickert, erscheinen in schonungsloser Naheinstellung. Die farbige Fülle des Materials hat Schwan und Steininger „selbst sehr überrascht“. Um 1979, im dreißigsten Jahr der Bundesrepublik, „endlich einmal neue Sachen“ auf den Farbbildschirm bringen zu können, waren die Forscher schon Anfang 1977 weltweit auf Suche gegangen. In Moskau baten sie um Wochenschaumaterial, das ihnen bislang trotz Vorlage eines Sendeexposés nicht einmal zugesagt wurde. Auch die DDR hielt ihre Archive dicht: Ohne Zustimmung des Zentralkomitees, so ließ Ost-Berlin die Zeitgeschichtler wissen, könnten die gewünschten Sequenzen nicht freigegeben werden. Um so erfolgreicher fahndeten sie in den USA. Im Herbst 1977 boten die National Archives in Washington überraschend 200 Rollen Farbfilm von durchschnittlich 250 Meter Länge zum Verkauf an. Der WDR erstand 168 Rollen für 100 000 Mark. Schwan und Steininger suchten weiter. Nach langem Briefwechsel und geduldigen Antichambrieren im Pentagon war „schließlich das Eis gebrochen“. Sogar die CIA, die zunächst den Besitz einschlägiger Farbdokumente bestritten hatte, öffnete ihre Tresore. Die Deutschen durften Filme exportieren, die bislang noch nicht öffentlich gezeigt worden waren; Augenzeugenberichte von der Befreiung des KZ Auschwitz beispielsweise. […] |
|
|||
Uni-Forscher fand 168 Film-Rollen Fast 300 Tage hockte er im „Public Record Office“ in London und fertigte eigenhändig Tausende von Fotokopien an. Er forschte nach neuem Material über Englands Deutschlandpolitik nach 1945. „Das war Knochenarbeit“, so der Historiker Dr. Rolf Steininger (35). Dann wurde der Geschichtswissenschaftler am Historischen Seminar der Universität Hannover durch einen Tipp alarmiert: Unbekannte Farbfilme amerikanischer Besatzungstruppen über Deutschland bei Kriegsende lagern in den USA! Mit seinem Kollegen Heribert Schwan (34) machte sich Steininger in Amerika auf die Suche nach dem sensationellen Material und wurde fündig! „Das war Detektivarbeit“, gesteht der findige Forscher. In Washington entdeckte das wissenschaftliche Detektivduo 200 Rollen des farbig belichteten Zelluloids. Dort kam ein zweiter Tipp: In Archiven der US-Armee lagert noch mehr Material von Kameramännern aus der Kriegszeit gleichfalls farbig und noch nie öffentlich gezeigt! Schwan und Steininger fahndeten weiter und gewannen sogar die Unterstützung des Geheimdienstes CIA. Mit Kodachromekopien auf 168 Filmrollen kehrte das wissenschaftliche Detektivduo heim nach Deutschland. Das farbige 16-Millimeter-Material zeigt unter anderem grausame Szenen bei der Befreiung des KZs Dachau und blutende Köpfe toter Infanteristen in Nahaufnahme. Schwan und Steininger kamen sogar an Farbfilme heran, die CIA-Agenten während ihrer Einsätze schon vor Kriegsende in Deutschland gedreht haben. Privatdozent Steininger stolz: „Solche Funde macht man nur einmal im Leben.“ Jetzt müssen die beiden Historiker 50 Kilometer Farbfilm sichten, werten und schneiden lassen. Mehrmals im Monat sitzen sie in einem Schneideraum des Kölner WDR. Viel Zeit bleibt nicht mehr: Am 29. März ist erster Sendetermin der zweiteiligen Dokumentation „Besiegt Besetzt Geteilt. Deutschland 19441949“. |